Zwei heftige Erdbeben in Nepal lösten Anfangs des Jahres eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Die nachfolgende Flaute im lebenswichtigen Tourismusbereich nahm schon kaum jemand wahr. Dass jetzt wegen politischer Probleme das Land vom Nachschub an Treibstoff, Gas, Medikamenten und anderen wichtigen Dingen abgeschnitten ist scheint die Welt nicht mehr zu interessieren.
Wie so oft in unserer Medienwelt sind Ereignisse nur so lange interessant, bis sie von neuen, aktuellen Meldungen überholt und abgelöst werden. Die beiden Erdbeben in Nepal gerieten angesichts eigener akuter Neuigkeiten und Veränderungen in Europa ziemlich schnell in Vergessenheit - leider!
Denn die Lage in Nepal ist in den letzten Monaten nicht besser geworden, sie hat sich seit meiner Ankunft hier vor drei Monaten drastisch verschlechtert. Wenige Tage nach meinem Eintreffen konnte ich noch die Freude und Begeisterung der Menschen über ihre neue Verfassung miterleben.
Doch die Bevölkerung des Tarai (flaches Grenzgebiet mit indisch-stämmiger Bevölkerung) sah keinen Grund zum Jubel. Schon bald legten die ersten Proteste und Straßenblockaden den Nachschub an Gütern aus Indien lahm. Und Indien ist nun mal das einzige Land, über das Nepal gut zu erreichen und zu beliefern ist. Einer der Gründe für die Unzufriedenheit der Taraibevölkerung laut Neuer Züricher Zeitung vom 03.10.2015: "Das Wahlsystem bevorzugt die Gebirgsregionen, so dass trotz einem Bevölkerungsanteil von 50 Prozent bei weitem nicht die Hälfte aller Parlamentarier aus dem Terai kommen. Die Grenzen der sieben föderalen Provinzen sind so gezogen, dass mit einer Ausnahme die traditionelle Dominanz der nepalesischsprachigen Brahmanen- und Chhetri-Kasten überall gesichert ist."
Doch das ist die politische Seite, für die Bevölkerung Nepals bahnt sich damit eine humanitäre Katastrophe an. In einer Erklärung nimmt Anthony Lake, Executive Director der UNICEF, dazu Stellung:
"KATHMANDU, Nepal, 30 November 2015 – Mehr als 3 Millionen Kinder unter 5 Jahren sind während der harten Wintermonate von Tod oder Krankheit bedroht. Verantwortlich dafür ist laut UNICEF die ernsthafte Knappheit von Treibstoff, Lebensmittels, Medikamenten und Impfstoffen in Nepal.
In den vergangenen 10 Wochen wurde die Einfuhr wichtiger Waren an Nepals südlicher Grenze durch Unruhen, ausgelöst wegen Nepals neuer Verfassung, empfindlich eingeschränkt.
Die Vorräte an BCG-Impfstoff gegen Tuberkulose in den regionalen Vorratslagern der Regierung sind bereits aufgebraucht. Vorräte an anderen Impfstoffen und Antibiotika sind bedenklich gering.
Kinder, die nach den zwei schweren Erdbeben im April und Mai immer noch auf dem Weg der Genesung sind, könnten davon am schwersten betroffen sein. Mehr als 200 000 vom Beben betroffene Familien leben immer noch in Notunterkünften und das in Höhen über 1500 m wo die Wetterverhältnisse im Winter besonders hart sein werden.
"Das Risiko von Unterkühlung und Mangelernährung, sowie die Defizite an lebenserhaltenden Medikamenten und Impfstoffen könnten eine tödliche Kombination für Kinder darstellen" sagte der UNICEF Direktor Anthony Lake. "Während meines kürzlichen Besuches wurde ich Augenzeuge der prekären Lebensbedingungen vieler Erdbeben-Überlebender. Sie könnten jetzt vor der nächsten Katastrophe stehen - ohne ausreichende Lebensmittel, ohne Schutz vor Kälte und ohne Gesundheitsfürsorge."
Es wird auch befürchtet, dass die wachsende Abhängigkeit vom Holzfeuer aufgrund der Treibstoffkrise ( Anm: in der Stadt wird in der Regel sowohl in Haushalten als auch Gaststätten mit Gas gekocht und seit den Grenzblockaden ist die Gasversorgung zusammengebrochen ) die Luftverschmutzung in den Räumen anwachsen lässt, was wiederum zu einer Erhöhung der Fälle von Lungenentzündungen führen könnte. Letztes Jahr hatten mehr als 800 000 Kinder unter fünf Jahren unter den Bedingungen in Nepal zu leiden und rund 5000 Kinder starben.
Die in den nächsten zwei Monaten zu erwartenden 125 000 neugeborene Babys sind ebenfalls teilweise gefährdet. Die ambulante Gesundheitsverorgung des Landes ist von der Treibstoffknappheit betroffen, was zu einem Rückgang an Geburten in Krankenhäusern und Gesundheitszentren geführt hat. Der Mangel an Öl und Gas zum Heizen erhöht auch das Risiko einer Unterkühlung mit schwerwiegenden Folgen für Neugeborene, die noch nicht fähig sind ihre Körpertemperatur zu kontrollieren.
"Die widrigen Umstände, denen die Kinder und ihre Familien ausgesetzt sind, haben sich Tag für Tag verschlechtert und sie werden sich in den kommenden Wintermonaten noch mehr verschlechtern," sagt Karin Hulshof, UNICEF Direktorin für Süd-Asien. "Kinder brauchen Schutz vor Krankheiten, Kälte und Hunger. Die UNICEF ruft alle dazu auf, die Einfuhrblockade für lebenswichtige Güter nach Nepal zur Sprache zu bringen. Es gilt, keine Zeit mehr zu verlieren.
Quelle: http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=52685#.VnGly0ExlSB