Nepal und die Nepali

Nepal ist nach Fläche und Einwohnern etwa doppelt so groß wie Bayern. Zwischen China und Indien liegt das Land als schmaler Streifen am südlichen Rand des Himalaya, 800 km lang und nur 200 km breit, auf der gleichen geographischen Breite wie die Sinaihalbinsel. Im Süden des Landes liegt der tiefste Punkt bei 70 Metern und zweihundert Kilometer weiter nördlich erreichen wir die 8848 Meter auf dem Mount Everest. Innerhalb weniger Kilometer wechseln die klimatischen Bedingungen vom tropischen Dschungel bis zum ewigen Eis.

Kathmandu liegt im Mittelland das bis 3000 m Höhe reicht. Durch die geographischen Bedingungen erschwert ist das Mittelland verkehrstechnisch nur wenig erschlossen und die Straßen in die Dörfer sind für normale Fahrzeuge oft nicht befahrbar.

Die Bevölkerung ist äußerst vielschichtig, 100 verschiedene ethnische Gruppen und rund 124 Dialekte soll es geben. Die Bewohner des Grenzgebiets zu Indien, Madhesi genannt, stellen die Hälfte der Bevölkerung sind jedoch in vielerlei Hinsicht unterprivilegiert. Manche Nepali aus dem Norden betrachten die Madhesi als „unechte Nepalesen“ bzw. als eingewanderte Inder, und die Bezeichnung „Inder“ (marsya) wird als Beleidigung für sie verwendet. 80% der Nepali sind Hindus und nur 9% Buddhisten.

Die Bewohner der nördlichen Landesteile lassen sich grob zwei Einwanderungswellen in der frühen Geschichte zuordnen. Die Nachfahren der indo-arischen Einwanderer weisen schmale Gesichtsformen und dunkleren Teint auf und werden oft als "Brahms" bezeichet, während die Nachkommen der tibeto-birmanischen Vorfahren an ihrer mongolisch anmutenden Gesichtsform zu erkennen sind und entsprechend auch "Mongols" genannt werden.  Die Brahms sind sicher die tüchtigeren Geschäftemacher, die sich auf der Straße nicht so leicht wie die Mongols mit einem Nein zufriedengeben.

"Die Nepali reden gern und viel, tun aber nichts!" Dieser Satz stammt nicht von mir sondern von einem Nepali und der sollte es ja wissen. Ich habe den Eindruck, diese Aussage bezieht sich hauptsächlich auf die einheimische Männerwelt. Auf dem Land sind es vorzugsweise die Frauen, die sich um die täglichen Arbeiten wie Viehfutter besorgen und zubereiten, Feldarbeiten und Holz besorgen kümmern während die Männer eher das Vieh zum Grasen bringen und dabei den Nachmittag im Schatten eines Baumes schwatzend verbringen.

Auch was den Wiederaufbau der zerstörten Häuser angeht, scheint man hier alle Zeit der Welt zu haben. Obwohl fast jeder mit dem man spricht den Verlust seines Hauses beklagt ( manchmal habe ich den Eindruck, hier dürfte kein Haus mehr stehen ), sieht man nur wenige Baustellen, auf denen tatsächlich auch wieder aufgebaut wird. Auch der Staat hat bisher noch keine Anstalten gemacht, die von der internationalen Gemeinschaft bereitgestellten 4,1 Milliarden Dollar abzurufen um damit den Wiederaufbau zu fördern. Außer vollmundigen Parolen wie "We will rise again" ist nichts zu sehen. Die Kritik der Geldgeber an der neuen Regierung ist nur zu berechtigt. Die einheimische Bevölkerung erträgt das alles und fügt sich dem Schicksal.


Die Hauptsorge vieler Betroffener ist derzeit wohl das tägliche Einkommen für den Lebensunterhalt und das ist bei den Menschen, die vom Tourismus abhängig sind, jetzt wirklich problematisch, denn die Zahl der Touristen ist derzeit so niedrig wie nie.

Fast täglich treffe ich auf der Straße Kaman, der sich mit dem Verkauf von Sarindas (Saiteninstrumenten) und kleinen Trommeln durchschlägt. Seit dem Verlust seines Hauses wohnt er mit Familie in einem Randbezirk. Er hatte die Wahl, sich entweder um sein Haus oder um die täglichen Mahlzeiten zu kümmern. Natürlich wird das Haus zurückgestellt, doch das könnte leicht zum Dauerzustand werden.


Von Gauri weiß ich mit Sicherheit, dass ihre Familie beim Beben das Haus eingebüßt hat. Ich habe sie bei meinem letzten Aufenthalt hier kennengelernt und sie arbeitet jetzt als Köchin und Zimmermädchen in  meiner derzeitigen Unterkunft. Ihr Leben in nüchternen Zahlen: 7-Tage-Woche,  9 Stunden Arbeitszeit,  kein Urlaubsanspruch, 7000 NRs Monatslohn ( das entspricht 60€  bei einem Stundenlohn von 22 Cent ). Sie wohnt mit Oma, Mutter und drei jüngeren Brüdern jetzt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung für die sie 7000 NRs Miete bezahlen. Die Mutter und der ältere Bruder verdienen je rund 8000 NRs so dass zum Leben 15000 NRs, also 125 €, übrig bleiben.

Unter diesen Voraussetzungen, die  wohl in vielen Familien ähnlich sind, ein Haus zu bauen ist aussichtslos, auch wenn die Regiering jetzt günstige Dahrlehen zu zwei Prozent anbietet.