Am 16. November kann mir Sabin endlich sagen, dass wir definitiv am 19. nach Baseri fahren können. Er musste noch auf die Ankunft von Sophie aus England warten, die ebenfalls mitfährt und für eine Organisation den Frauen dort Menstruation-Kits verteilen möchte. Die Unterweisung dazu wird Mina, Sabins Freundin aus Pokhara, übernehmen die darin schon Erfahrung hat. Auf Grund des umfangreichen Gepäcks das Sophia für ihre Aktion benötigt, hat sie einen Jeep samt Fahrer gemietet und so freue ich mich schon auf eine etwas komfortablere Fahrt nach Baseri als sonst üblich. Tatsächlich verläuft die Fahrt bis Dhading auch recht flott und komfortabel, doch dann kommt eben die fürchterliche Schotterstraße bis Baseri. Dieses Jahr zeigt sich die Straße als einzige Baustelle, sie wird verbreitert und soll irgend wann einmal geteert werden, doch jetzt ist sie über weite Teile von knöcheltiefem mehligen Lehmstaub bedeckt und alle paar Kilometer ist wegen Bauarbeiten mit Behinderung zu rechnen. Während der Regenzeit war die Straße anscheinend gar nicht befahrbar weil der Staub sich in eine rutschige Brühe verwandelt hat. Die Fahrt im Jeep war dennoch angenehmer als eine Busfahrt, vor allem war das Fahrzeug im Vergleich dazu staubdicht und so stehen wir nach siebeneinhalb Stunden Fahrt in Baseri. 

 

Der 15 Jahre alte Toyota kommt zwar mit der Strecke gut zurecht, doch gerade auf den letzten Kilometern, die noch im Originalzustand sind, braucht der Fahrer gelegentlich Unterstuetzung. Wir erreichen Baseri ohne Schrammen und Pannen.

Der Empfang durch Bahini ist wie immer sehr herzlich und wir werden mit Milchtee begrüßt. Ihr Mann ist noch auf dem Feld und kommt später mit einem vollen Korb Hirse auf dem Rücken dazu. Momentan ist die Hirse- und Reisernte im Gang und auf der Veranda vor dem alten Haus liegt schon ein ganzer Berg Hirse zum Trocknen um später mit einem Stock auf dem Boden ausgedroschen zu werden. Auch der Reis wird derzeit geerntet und gleich auf dem Feld gedroschen. Dazu werden kleine Bündel der abgeschnittenen Halme so lange auf den Boden oder auf einen Stein geschlagen, bis die Körner alle aus der Ähre entfernt sind. Das Reisstroh wird in großen Bündeln heimgetragen oder an die Straße gebracht, wo seit diesem Jahr ein Traktor im Einsatz ist um es abzuholen. Eine Neuigkeit sticht mir natürlich gleich ins Auge – der Hof des Anwesens ist geschrumpft, denn ein Teil ist einem neuen Häuschen zum Opfer gefallen. Die Familie hat für ihr erdbebengeschädigtes Haus einen gewissen Geldbetrag erhalten, der dann aber auch in ein neues Gebäude investiert werden muss, da er sonst wieder vom Staat einkassiert wird. Hier hat es für ein Ein-Zimmer-Häuschen gereicht, das mit seiner „Veranda „ mehr hermacht als es ist. Sophie findet hier ihre Unterkunft und Dhai, der immer im Freien schläft liegt unter dem Dach der Veranda während ich wie gewohnt in der Kammer neben den Ziegen unterkomme.

Der nächste Tag folgt der altbekannten Routine. Aufstehen um ca. 7 Uhr, Milchtee mit ein paar Keksen zum Frühstück, um halb zehn gibt es Dhal Bhat und dann marschieren Sophia und ich gemeinsam mit Rajendra, dem stellvertretenden Schulleiter der gleich nebenan wohnt, zur Schule hoch. Nach einem großen Hallo im Lehrezimmer darf ich gleich in der Klasse 10 eine Stunde halten. Zur Eingewöhnung für beide Seiten mache ich zuerst ein wenig Konversation, Fragen und Antworten, Vorlesen und zum Schluss ein Spiel. Nach dem gleichen Muster verläuft die nächste Stunde in der siebten Klasse, doch dann passiert ein kleines Unglück. Als ich auf der linken Tafelseite das Alphabet von oben nach unten anschreibe und für die letzten Buchstaben vor der Tafel in die Hocke gehen muss, sehe ich plötzlich wie sich die Tafel oben von der Wand löst und langsam nach vorne kippt. Ich lasse mich geistesgegenwärtig nach rückwärts fallen um das schwere Teil nicht auf den Kopf zu kriegen. Mit einem heftigen Knall kracht die Tafel in einer Staubwolke auf den Boden – und auf meinen rechten Fuß, den ich nicht mehr aus der Gefahrenzone gebracht habe. Totenstille im staubgefüllten Klassenzimmer, ich sitze staubbedeckt auf dem Boden und schaue entsetzt meinen Fuß an denn mein erster Gedanke ist: Mittelfußknochen gebrochen. Die Kinder sitzen immer noch mucksmäuschenstill als ich mit einem lauten „Sch… „ aus dem Klasszimmer humple. Die Lehrer zaubern dann gleich eine große Flasche Jod aus einem Schrank und ich stelle zu meiner Erleichterung fest, dass sich die Zehen alle noch problemlos bewegen lassen. Tja, da hab ich nochmals Glück gehabt und nach ein paar Tagen mit einem geschwollenen Fuß sollte die Sache vergessen sein. Die Wunde ist auch bald trocken und sieht gut aus, doch dummerweise ziehe ich Schuhe ohne Socken an und reibe sie wieder auf. Rajendra sieht, dass sie leicht entzündet ist und weiß gleich ein Mittel dagegen. Von einem Strauch reißt er ein paar Blätter ab, zerreibt sie so lange zwischen den Handflächen bis ein grüner Brei entsteht und trägt diesen auf die Wunde auf. Glauben wir mal dass es hilft ;-) 

Am nächsten Tag beginne ich mit der Zahnputz-Aktion. Unterstützt von zwei Lehrern, Prem und Santosh, besuchen wir die Vorschulgruppe und dann die Klassen von 1 bis 7. Zuerst zeigen wir den Kinder ein Video auf Nepali, das ich aus dem Internet geladen habe und in dem sehr schön die richtige Putztechnik erklärt wird. Dann kommt das große Zahnmodell das ich mitgebracht habe zum Einsatz. Prem erklärt damit nochmals die einzelnen Schritte und befragt die Schüler auch nach ihren Zahnputzgewohnheiten. Es zeigt sich dass nur wenige Schüler an diesem Morgen schon die Zähne geputzt hatten. Anschließend erhalten die Kinder Zahnbürsten und Zahnpasta. Mit einigen Klassen gehen wir dann ins Freie, wo die Schüler das gelernte unter unserer Aufsicht anwenden. Hier kann man dann auch sehen, dass für manches Kind der Umgang mit der Zahnbürste doch sehr ungewohnt ist. Aber sie sind alle total begeistert und versprechen auch, ihre Zähne regelmäßig zu putzen. Als ich am nächsten Tag in der zweiten Klasse nachfrage, sagen auch alle bis auf einen, dass sie ihre Zähne nach dem Frühstück geputzt hätten. Dann stellt sich aber heraus, dass dieser Schüler am Vortag gefehlt hat. 

Am folgenden Tag setze ich die Aktion in den Klassen 8 bis 10 fort. Sophie, die tags zuvor mit Mina ihr Programm mit den Menstruations-Kits durchgeführt hat, möchte gerne mitmachen und wir meinen dass in diesen Klassen die Unterweisung auch in Englisch möglich ist. Aber sicherheitshalber will Rajendra uns begleiten. Auch hier zeigen wir zuerst das Video, Sophia wiederholt dann auf Englisch die wichtigsten Punkte und ich lasse dann verschiedene Schüler am großen Modell die Putztechnik demonstrieren. Natürlich läuft auf Grund der Sprachprobleme nicht immer alles so reibungslos. Von dem großen Zahnmodell sind aber alle Kinder begeistert, denn man kann es sooooo weit aufmachen und zum putzen der unteren Zähne muss man die Zunge hochklappen und einmal fällt sie gar auf den Boden. Auch die großen sind gerne mit dabei draußen das Gelernte anzuwenden. Ich hoffe dass viele Kinder durch diese Aktion motiviert sind auf ihre Zahngesundheit zu achten. 

Seit ich diese Schule besuche störe ich mich am Abfall im Schulhof und um die Gebäude herum. Wiederholt habe ich Rajendra gebeten doch für Abfalleimer zu sorgen und einen regelmäßigen Aufräumtag einzuführen, bislang erfolglos. Ich mache mix dem Handy einige Fotos die ich ihm dann zeige und dringe nochmals darauf zum Beispiel am Freitag mit der Abfallsammelaktion zu beginnen. Und tatsächlich schwärmt am Vormittag dann plötzlich die sechste Klasse, die eine Freistunde hat, mit Eimern aus um Abfall einzusammeln. Die Schüler sind mit Eifer bei der Sache und nach und nach kommen immer mehr Lehrer auf den Hof und schauen verwundert dem Treiben zu. Im Laufe der Zeit schließt sich noch die achte Klasse an und so ist nach einer Stunde die Umgebung der Schule erstaunlich sauber. Doch wohin mit all dem Papier und den vielen Verpackungen von diversen Schlecksachen?? Alles wird an einen Abhang gekippt und anschließend gleich verbrannt. Das ist zwar auch nicht das gelbe vom Ei, doch hier ist es die einfachste Variante den Abfall zu entsorgen. Vergraben wäre vermutlich die bessere Alternative, vielleicht findet sich da auch noch eine Lösung. Für die fleißigen Kinder besorge ich zur Belohnung Kekse und ich hoffe dass die Sammelaktion zur wöchentlichen Einrichtung wird. 


Neben diesen Aktivitäten habe ich wie Sophie auch  in verschiedenen Klassen Englisch unterrichtet. Unterricht von Besuchern aus England sind natürlich eine gute Gelegenheit für die Schüler einmal original englischen Sound zu hören der doch etwas anders klingt als das Nepali – Englisch. Sophie hat auch noch ein paar Yoga-Stunden mit den Kindern gemacht die auch bestens angekommen sind. Selbstverständlich habe ich mich auch um mein wesentliches Anliegen gekümmert – die Schulbänke. Eine Bestandsaufnahme hat folgendes ergeben : Die Schule hat derzeit 67 neue und 61 alte Schulbänke bei 270 anwesenden Schülern an diesem Tag. Laut Schulleiter sind etwa 330 Schüler an der Schule, aber viele kommen unregelmäßig. Die neuen Tische können, wenn nötig, mit drei Schülern besetzt werden, die breiteren alten sogar mit vieren. Allerdings legen die Kinder oft auch ihre gesamten Bücher und Hefte auf dem Tisch ab und dann wird es sehr, sehr eng. 

Rein rechnerisch reichen die Tische derzeit zwar aus, doch zwei Dinge sind in dieser Rechnung nicht berücksichtigt. In den Klassen zehn bis zwölf wird jetzt immer mehr differenziert, das heißt auch die dazu benötigten Klasszimmer mit Tischen ausgestattet sein müssen. Außerdem geht der Schulleiter davon aus, dass mit den Bemühungen der Schule um eine Qualitätssteigerung wieder mehr Kinder, die andere Schulen besuchen, zurück kommen. Er wünscht sich zwar 30 Stück neue Tische, doch ich bin der Ansicht, 20 sollten derzeit ausreichend sein. Allerdings reicht mein Spendenkonto derzeit nur für 12 Exemplare. Also frage ich bei Sophie nach, ob sie sich eventuell beteiligen könnte. Sie war während des Erdbebens in Nepal und hat darüber ein Büchlein geschrieben, und mit dem Erlös aus dem Verkauf möchte sie für eine Grundschule unterhalb von Baseri ebenfalls Schulmöbel anschaffen. Wir einigen uns darauf, bis Ende Dezember zu warten und dann zu entscheiden, wie wir verfahren. Sie wird zwar dann in Indien sein und ich voraussichtlich schon in Myanmar, aber das ist ja kein Problem, wir können uns per Mail absprechen. 

Das ist eines der Gruppenzimmer, geeignet für max 7 Schüler.
Das ist eines der Gruppenzimmer, geeignet für max 7 Schüler.

Das ist eines der Gruppenzimmer, derzeit geeignet für max 7 Schüler. 

Nachtrag 30. November : Manchmal geschehen doch kleine Wunder. Heute habe ich von meinem besten Freund H. D. die Nachricht erhalten, dass er eine Spende überweisen will, und damit sollte es genau für 20 Schultische ausreichen. Super und vielen Dank ☺️. 


Zum Schluss noch ein paar Fotos. 

Wer sich über Sophies Aktivitäten informieren möchte, findet unter den folgenden Links Informationen über : 

allgemeine Aktivitäten, ihr Buch und auf Facebook die Kits für die Nepali-Frauen.


http://thecountrythatshook.com/


http://stopbreathegrow.com/


https://m.facebook.com/sanitarytowelsfornepaliwomen/?ref=bookmarks

Sophie hat über das Zähneputzen und die Müllaktion noch kurze Videos gemacht, die ich jetzt bekommen habe und anfügen möchte.