Schule

Wir statten der Schule noch einen kurzen Überraschungsbesuch ab. Schulleiter und Stellvertreter sind derzeit unterwegs, zweiterer mit meinem Zimmerschlüssel. Es gibt eine kurze Vorstellung, bei der sich alle über das Hilfsangebot erfreut äußern. Ich verschaffe mir noch einen groben Überblick über den Zustand der Schule. Das Gebäude, in dem die Jahrgangsstufen 5 bis 7 untergebracht waren, existiert nur noch als großer Steinhaufen, das kleine Häuschen der ersten Klasse ist auch dem Beben zum Opfer gefallen und die verbliebenen Klassenzimmer weisen alle in den Ecken verputzte Risse auf. Die noch vorhandenen Schülerbänke sind oft notdürftig zusammengenagelt.

Die Klassen, deren Räume zerstört wurden,  sind derzeit in sogenannten "Temporary Learning Centers" (TLC) untergebracht und ich fürchte, das wird noch lange so bleiben. Was sich so schön anhört ist alles andere als zum Unterrichten geeignet. Die TLCs sind Wellblechhütten mit einer Außenwand aus Bambusstangen, die zum Teil abgerissen sind, so dass die Kinder hindurchsteigen können. Die Trennwände zwischen den Räumen bestehen aus mannshohen Wellblechen. Selbst wenn deine Klasse ganz ruhig sitzt, hast du immer noch die Geräuschkulisse aus den Nachbarzimmern und von draußen. In den Räumen gibt es nur ein verbeultes Whitebord (weiße Blechtafel auf die mit Filzstift geschrieben wird) und eine große Plastikplane, auf der die Schüler sitzen.

In der karg ausgestatteten Bücherei, die den Lehrern auch als Ruheraum dient, gibt es ein paar wenige Lehr-und Lernmittel, denen man das Schattendasein deutlich ansieht. Zwei PCs und einen Drucker, alle nicht funktionsfähig, gibt es ebenfalls.

Während der letzten Prüfungstage werde ich als "running guard" eingesetzt, das heißt ich gehe von Klassimmer zu Klassenzimmer und löse die Aufsichtslehrer für eine kurze Pause ab. Von Ruhe während der Probearbeiten kann keine Rede sein. Die Lehrer unterhalten sich genauso wie die Schüler und wenn einer zum Nachbarn schaut gibt es nur einen Wink. Auch der Schulleiter taucht während der Arbeit mit einem Plastikbeutel voll Geldscheinen auf und verteilt an die erdbebengeschädigten Kinder 400 Rupien (3,20 €) Uniformzuschuss von der Regierung. Vor Prüfungsbeginn geht allerdings ein Lehrer durch die Reihen und macht stichprobenartige Kontrollen auf Spickzettel.

Ganz überraschend soll ich dann in die zehnte Klasse gehen die sich außerplanmäßig versammelt hat um von mir eine extra Englischstunde zu bekommen. Zum Glück habe ich mir schon einige Themen und Spiele zurechtgelegt, so dass ich nicht ganz blank dastehe.

In der neuen Schulwoche bin ich dann für 4 Stunden täglich in den Klassen vier, fünf und sechs eingeteilt, drei Stunden im TLC, was nicht gerade so der Hit ist. Ich weiß nicht ob es daran liegt dass ich einfach aus der Übung bin oder ob es das Alter ist, die Bedingungen im TLC mit dem permanenten Lärm aus den Nachbarzimmern und von außen machen mir zu schaffen. Für mich ist ein Ende abzusehen, für die anderen Lehrer jedoch nicht.

Die Klassen sieben bis neun haben auch ihre Wünsche angemeldet und so werde ich wohl demnächst in geschlossenen Räumen unterrichten können. 

1. Oktober

Heute heißt es bei Schulschluss um 16. Uhr: Santosh ist befördert worden, er gibt eine Party in Mohans ( Kollege ) Haus. Auf dem Weg dorthin wird die Einkaufsliste zumammengestellt und einer fragt mich, ob ich alles essen würde. Meine Antwort: " Ja, ich esse alles außer Fleisch" wird mit besorgten Gesichten quittiert. Also füge ich hinzu, dass ich bei Einladungen auch mal Fleisch essen würde, und schon ist die Welt wieder in Ordnung. 

Bei Mohan angekommen entpuppt sich dessen Haus als Wellblech-Plastikplanen-Unterkunft, da er sein Haus beim Erdbeben verloren hat. Zuerst begutachten alle die Ziegen, die gleich hinterm Eingang untergebracht sind. Als aber dann einer der Kollegen eine der meckernden Ziegen vom Haus wegführt und ein anderer einen Krummsäbel an einem Stein wetzt, schwant mir Übles und ich mache einen längeren Spaziergang in die andere Richtung. Als ich zurückkomme, werden schon Fleischportionen an die wartenden Nachbarn verteilt.

Später bekomme ich dann den Platz neben dem Chef zugeteilt, was aber bedeutet, den ganzen Abend mit verschänkten Beinen auf einer Pritsche zu sitzen, die dann später sicher als Bett dient, während die anderen auf etwas bequemeren Schemelchen Platz nehmen.

Als ich dann einen Teller mit viel Reis und Fleisch gereicht bekomme, bestehe ich auf einer kleineren Portion. Kurz darauf bekomme ich auch einen kleineren Teller - ohne Reis aber mit gleich viel Fleisch. Nochmals meckern kann ich fast nicht, da muss ich jetzt durch. Zum Glück haben sie auch einen Karton mit einheimischem Bier zum Nachspülen besorgt.

Die Runde wird immer gesprächiger und die Sprechweise des Schulleiters erinnert mich sehr an den Butler aus dem Sketch "Dinner for One".

Gegen halb acht ist die Party schlagartig vorbei und auf dem abschüssigen Weg nach Hause klammert sich der Chef immer wieder an meinen Oberarm, angeblich um mich zu stützen. Letztlich muss ich aber zugeben, die Einheimischen sind auch nach etlichen Bier trittsicherer als ich ohne.

 

Da ich von Hindu-Feiertagen keine Ahnung habe, überrascht mich die Mitteilung von Kollegen, dass vom 13. bis 26. Oktober Ferien sind. Das Fest heißt Dasain, ist wohl eines der wichtigsten Feste hier und alle die es bewerkstelligen können, verbringen diese Tage bei der Familie.

Wegen der Ferien und der anhaltenden Treibstoffblockade steht die Beschaffung der Schulmöbel im Augenblick still, doch zwei CD Player samt Zubehör (Akkus und Ladegeräte) sowie ein Duzend Bücher incl. CDs habe ich inzwischen eingekauft.