07. November: Das Schulsystem in Nepal leidet sicherlich schon immer, aber nach dem Erdbeben besonders, unter der mangelnden staatlichen Förderung. Bedingt durch die Landesstruktur gibt es unzählige "Zwergschulen" wie bei uns früher auch. Die Ausstattung der Schulen ist minimal: eine schwarz gestrichene Gipsfläche als Tafel oder ein verbeultes Whiteboard und Schulbänke, sofern vorhanden, sind das ganze Inventar. Viele Gebäude sind, wie in Baseri, einfach nicht zu Ende fertig gebaut worden. Natürlich muss man berücksichtigen, dass Nepal ein armes Land ist, aber hier wird einfach am falschen Ende gespart.


Der weitere große Schwachpunkt sind meiner Meinung nach die Lehrer, wobei es sicher auch Ausnahmen gibt. Narajan setzt sich schon mal während der Mittagspause mit einigen Schülern in die Bücherei um den Stoff zu vertiefen oder fertigt ein Plakat für den Matheunterricht an. Aber ansonsten besteht die einzige Unterrichtsvorbereitung die ich ausmachen konnte darin, vor der Stunde das entsprechende Buch aus dem Spind zu holen und vielleicht noch einen Blick hineinzuwerfen. Rajendra, den ich ja als Nachbar stets im Auge habe, hat nur einmal in seinem Zimmer, auf dem Bett liegend, Examensarbeiten korrigiert. Sonstige Vorbereitungen: Fehlanzeige. Gruppen- oder Partnerarbeit sind den Schülern nicht geläufig und so habe ich mit meinen Arbeitsaufträgen oft in fragende Gesichter geblickt. Als ich einmal zu einem Lesetext einen der alten PCs samt Zubehör in eine Klasse bringe, ist die Begeisterung groß. Selbst die Zehntklässler, von denen einige übrigens schon verheiratet sind, verlangen immer wieder "game, game" und machen bei allen Spielen gerne mit.

Auch wenn das Gehalt der hiesigen Lehrer mit 20 000 NRs ( ca. 180 Euro) nicht hoch und motivierend ist, so ist es doch beispielsweise das Doppelte von dem was Shyam verdient, der sieben Tage die Woche rund um die Uhr die Hotelrezeption versorgt. In der Schule vergeht kaum ein Tag an dem nicht einer oder mehrere Kollegen abwesend sind. Schulleiter und Stellvertreter haben diese Woche fünf bzw vier von sechs Tagen gefehlt. Ein anderer wird am Freitag fehlen, weil er nach Kathmandu fährt um einen Kurzurlaub, natürlich während der Schulzeit, in Dubai zu buchen. "Nepali way" hin oder her, aber das ist mir doch etwas zu locker. Die Bereitschaft im täglichen Leben wirklich etwas zu verändern wird leider nur bekundet aber viel zu selten in die Tat umgesetzt. Ich hoffe, dass die bei meiner Verabschiedung bekundeten Vorsätze einiger Kollegen, in Zukunft mehr Anschauungsmittel und vielleicht auch spielerische Elemente im Unterricht einzusetzen auch umgesetzt werden.


Mein Aufenthalt hier hat die Englischkenntnisse der Schüler sicher nicht verbessert, aber vielleicht doch einigen Schülern einen kleinen Motivationsschub gegeben. Ein Mädchen der zehnten Klasse hat mich gestern gefragt: "When do you go to Germany?" Als ich ihr erklärte, dass ich am Freitag abreisen werde, hat sie bedauernd gemeint: "We miss you." Ja, ich werde sie alle auch vermissen.

Meine große Hoffnung ist jetzt, dass die angeschafften Medien die Qualität des Englischunterrichts etwas verbessen und die hoffentlich bald eintreffenden Möbel den Schultag für die Kinder ohne Sitzgelegenheit angenehmer machen.


Übrigens wird es hier jetzt auch herbstlich. Tagsüber ist es noch schön warm doch die Nächte werden kühl, morgens liegt lange der Nebel im Tal, die Reisfelder färben sich gelb und die hohen Berge im Norden sind schneebedeckt.

PS: 08. November: Heute kann ich die Wekstatt besuchen, in der "unsere" Schulmöbel hergestellt werden. Mit Krishna und Hem, zwei Guides, die wegen der ausbleibenden Touristen nichts zu tun haben, mache ich mich auf den Weg durch die verwinkelten Straßen. An einer Straßenecke sehen wir dann die ersten Exemplare der Rahmen unserer "Desks and Benches" auf der Straße stehen. 

Die Werkstatt ist ein kleiner Raum mit Minimalausstattung, das meiste wird hier eh im Freien erledigt. Die Männer müssen in den vergangenen zwei Wochen ordentlich gearbeitet haben, rund fünfzig Rahmen sind nahezu fertig und jetzt werden Sitz-und Tischflächen vorbereitet. Zur Demonstration bereiten sie eine Garnitur vor und wir können Probesitzen und das Werk begutachten. Das aufgeklebte Furnier überzeugt mich zwar nicht vollständig, aber die Qualität der Gestelle scheint zu stimmen.

Was uns allen noch etwas Kopfzerbrechen bereitet, ist die Sache mit dem Transport, denn da werden einige Fahrten nötig sein. Aber dafür ist Ramesh zuständig.