Bhimkhori /Bhadaure /Amalbas 


Meine Ankunft in Amalbas steht offensichtlichen unter keinem guten Stern. Schon während der Busfahrt hat es leicht geregnet, doch als ich an der Haltestelle in Deurali aussteige schüttet es wie aus Kübeln. Mandhoj der gerade mit Julius eintrifft fragt, ob ich das schlechte Wetter aus Deutschland mitgebracht hätte, denn hier war es die letzten Monate absolut trocken. Mandhoj dürfte den meisten Lesern ja bekannt sein, er ist seit vielen Jahren mein Gastgeber und Freund hier in Amalbas. Julius möchte ich euch kurz vorstellen. Er ist 19 Jahre alt, kommt aus Dresden und hat im vergangenen Sommer das Abitur gemacht. Viele Abiturienten zieht es ja nach dem Abitur in die verschiedensten Länder um dort ausgiebig Urlaub zu machen. Julius hat jedoch beschlossen in diesem Jahr ein Land zu besuchen um dessen Bewohner und Kultur genauer kennen zu lernen und seine Wahl ist auf Nepal gefallen. Bei seiner Recherche im Internet ist er auf die Webseite www.nepalmyhome.de gestoßen und er hat sich dann bei dem Förderverein, der die Grundschule in Amalbas betreibt erkundigt, ob er hier unterrichten könnte. Von den sechs Monaten die er dann zugesagt hat, sind inzwischen fünf vergangen und er unterrichtet an der Schule quasi als volle Lehrkraft die Fächer Englisch und Science. Daneben hilft er aber auch tatkräftig auf dem Hof von Mandhoj bei den verschiedensten Arbeiten mit.

Bei einem heißen Glas Tee warten wir auf eine Regenpause und marschieren dann nach Amalbas wo ich vom Rest der Familie herzlich begrüßt werde. In der Nacht zieht ein heftiges Gewitter über die Berge und als ich am nächsten Morgen vor die Tür trete empfängt mich ein eisiger Wind und auf den umliegenden Hügelketten sehe ich Schnee und auch ums Haus liegen noch Reste von Schnee-oder Graupelschauern. Meinen Besuch in Bhimkori habe ich extra etwas hinausgezögert in der Hoffnung auf halbwegs warmes Wetter und jetzt das! Jammern hilft nicht, und so mache ich mich um halb zehn auf den Weg zur Schule. Aber da kommt mir Mandhoj entgegen und verkündet dass heute schulfrei sei weil gestern der Tourismusminister und fünf weitere Personen bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen seien. Kein schöner Anlass für schulfrei.


Tags darauf werde ich von den altbekannten Lehrern in der Shree Pokra School freudig begrüßt und ich entdecke im Kollegium auch ein paar neue Gesichter weil einige der früheren Lehrer ausgeschiedenen sind oder an andere Schulen gewechselt haben. Uper Sing ist im vergangenen Jahr Schulleiter geworden und scheint sich mit seiner neuen Aufgabe recht wohl zu fühlen. An diesem ersten Schultag werde ich nicht mit Arbeit überhäuft, es fällt nur eine Stunde Englisch in der fünften Klasse an. Der nächste Tag ist Samstag, also schulfrei, dann folgt der Sonntag als normaler Tag mit ein paar Stunden Unterricht und am Montag ist schon wieder ein Feiertag, nämlich "Shiva raatri", ein besonderer und wichtiger Feiertag zu Ehren Shivas. Und weil Shiva angeblich gerne ein Haschisch - Pfeifchen raucht, wird dem anscheinend auch gerne nachgekommen. Die Grundschule in Amalbas ist Privatschule und hat an diesem Tag Unterricht und ich besuche Julius bei der Arbeit. Er möchte heute die Zahnputz-Aktion durchführen und hat dazu meine Materialien, das Demo - Gebiss und das Video, bekommen.

Tags darauf, also am Dienstag, schicke ich mich an um halb zehn auf um in die Schule zu gehen, doch da kommt mir Mandhoj entgegen und verkündet dass heute der Unterricht ausfällt weil die Lehrer streiken. Sicherheitshalber rufe ich Uper Sing an und er bestätigt dass heute alle Lehrer in Nepal streiken. Na gut, über schulfreie Tage kann man sich freuen, doch ich bin nicht hiergergekommen um Ferien zu machen. Am nächsten Morgen tauchen vier Schüler auf die beim Austragen des Misthaufens helfen und sagen dass auch heute und die folgenden zwei Tage kein Unterricht stattfinden wid. Wenn das so weitergeht verbringe ich tatsächlich mehr Tage untätig als in der Schule. Um nicht nur rumzusitzen löse ich Mandhoj für ein paar Stunden beim Abhacken des fesgepressten Misthaufens ab. Das ist nötig damit die Träger Mist in ihre Körbe laden können. Am Nachmittag gehe ich nach Bhadaure um den neuen "health post", die Erste-Hilfe-Station anzusehen. Als ich an der Schule ankomme muss ich feststellen, dass doch Unterricht stattfindet. Die Schüler waren wohl falsch informiert und den health Post kann ich auch nicht besichtigen, denn der ehemalige Lehrer, der jetzt dort arbeitet und mich eingeladen hat, ist nicht anwesend. Aber in der Schule erfahre ich, dass am Freitag schon wieder ein Feiertag ist, internationaler "Frauentag". Na gut, dann beginne ich am Donnerstag mit meiner Zahnputz-Aktion und kann sie dann nächste Woche beenden. Die nächste Überraschung gibt es am Donnerstag morgen, denn Uper Sing ist nicht da. Meine Zahnbürsten und die Zahnpasta hat er in einem Schrank eingeschlossen und mit Uper Sing fehlt auch der Schlüssel. An diesem Tag fehlen weitere sechs Lehrer und so wird mir nicht langweilig, ich darf zum Beispiel zwei Stunden in den zusammengelegen Klassen 1, 2 und 3 unterrichten. 

 

Der schulfreie Freitag ist verplant, Julius hat mich zu einem Ausflug der Grundschule nach Namobuddha eingeladen und da werde ich gerne mitfahren. Morgens um halb sieben soll es losgehen und Julius und ich stehen auch pünktlich vor dem Haus um zum Treffpunkt zu gehen. Mandhoj der auch mitfährt ist noch nicht bereit und meint nur, dass der Bus sowieso wohl erst um halb acht losfahren würde. Er sollte recht behalten. Um halb acht ist der Bus beladen mit Kindern, Eltern und der ganzen vorbereiteten Verpflegung und fährt los über die Schotterstraße Richtung Tal und Hauptstraße. Die Stimmung ist ausgelassen, denn der mitgebrachte Lautsprecher wird in Betrieb genommen und die Lehrerinnen versuchen im Mittelgang zur Musik zu tanzen, was aber wegen der Schaukelei nicht ganz einfach ist. Nach drei Stunden Fahrt steuert der Bus einen Parkplatz nahe Namobuddha an und dort gibt es ein Ei, Kekse und ein Getränk als Frühstück. Danach marschieren wir gemeinsam auf den Hügel, auf dem die prächtige Klosteranlage steht die hier vor rund 20 Jahren neu errichtet wurde. Mandhoj, der der über Traditionen und Geschichte Nepals gut Bescheid weiß, erzählt die Sage über die Entstehung des Klosters. Nach der Besichtigung gibt es auf der Wiese neben dem Parkplatz das Mittagessen, das die Schulleiterin tags zuvor mit Julius vorbereitet hat, nämlich Hühnchen, Kartoffeln, Bohnen und Reisflocken. Vor der Heimfahrt wird noch ein wenig getanzt und die gute Stimmung wird in den Bus mitgenommen. Für manche Kinder war dies sicherlich die erste große Fahrt und auch für uns Erwachsene war der Ausflug ein sehr schönes Erlebnis, auch wenn die Heimfahrt so endet wie ich es hier in den Bergen schon einige Male erlebt habe. Kurz vor dem Ziel bleibt der Bus an einer Steigung hängen und den letzten Kilometer legen wir zu Fuß zurück. 

Nach dem schulfreien Samstag mache ich mich mit der festen Zuversicht endlich meine Zahnputz – Aktion durchführen zu können Richtung Schule auf den Weg. Kurz bevor ich Bhadaure erreiche kommen mir zwei Grundschüler entgegen und meinen nach einer freundlichen Begrüßung : "bida ho", was soviel heißt wie schulfrei. Ich bin platt und kann es nicht fassen. Das wäre der vierte Unterichtsausfall seit ich hier bin und in zwei Tagen möchte ich nach Kathmandu zurück. Sicherheitshalber rufe ich den Schulleiter an. Uper Sing erklärt dann, dass heute die Betondecke an dem Neubau der im Schulhof steht eingezogen wird und deshalb könne kein Unterricht stattfinden koenne. Da ich eh schon fast oben beim Dorf bin gehe ich weiter um mir die Sache anzusehen. Auf der Baustelle herrscht tatsächlich rege Tätigkeit, die Armierung mit Baustahl war am Tag zuvor fertig geworden und jetzt wird der Beton eingebracht. Unterhalb der Schule an der Straße liegen zwei große Sand-und Kieshaufen und die Zementsäcke. Dort wird gemischt, zehn Träger mit Körben tragen das Gemisch hoch und auf der zu bauenden Decke wird dann mit Schaufeln und Wasser angemacht und verteilt. Die einzigen technischen Geräte sind zwei Rüttler um den Beton blasenfrei zu verteilen. Alle Lehrer und Schüler sind auch da, aber nur zum Zuschauen. Uper Sing gibt allen Arbeitern ein Tika mit dem Wunsch für gutes Gelingen und den göttlichen Segen für das Haus. 

Mittags gehe ich nach Amalbas zurück und helfe wieder beim Abhacken des Misthaufens, denn Mandhojs Frau, seine Schwiegertochter und deren Tochter tragen wieder Mist auf das Feld. Wenn das so weitergeht weiß ich zwar wie man einen Misthaufen zerkleinert aber die Schüler nicht wie man richtig die Zähne putzt. Ich hoffe sehr dass morgen am Montag Unterricht stattfindet, sonst kommt mein Zeitplan durcheinander. 

 

Die Betondecke ist am Montag zwar noch nicht fertig, aber ein Anruf bestätigt mir dass heute unterrichtet wird. Ich möchte heute beginnend mit der ersten Klasse möglichst viele Klassen besuchen. Laxmi Prasad, ein Lehrer bietet mir an mich bei meiner Aktion zu begleiten und das ist gerade in der Grundschule nötig denn hier sind die Englischkenntnisse doch recht begrenzt. Den Stundenablauf habe ich in drei Abschnitten geplant. Zuerst werde ich das Video in nepalesischer Sprache zeigen das ich auf Youtube gefunden habe, dann wiederholen wir den Inhalt und demonstrieren das Zähneputzen am Gebissmodell und anschliessend gehen wir ins Freie um das Gelernte anzuwenden. Das Video schauen alle Kinder, die kleinen wie die großen, ganz gebannt an und bei der praktischen Umsetzung im Freien haben sie richtig Spaß. Bis zum Unterrichtsende um 16 Uhr haben wir dann die Klassen 1 bis 8 unterrichtet und für meinen voraussichtlich letzten Tag hier bleibt nur noch die neunte Klasse zu unterrichten, denn die Klassen 10 und 11 sind derzeit in den Prüfungsvorbereitungen. 

An den zwei Tagen habe ich rund 190 Schüler erreicht, die alle am Ende der Stunde eine Zahnbürste und Zahnpasta erhalten haben. Etwa 50 Schüler waren an den beiden Tagen abwesend, für sie habe ich das Material den Lehrern übergeben. Bei meiner kurzen Befragung vor jeder Stunde gaben 60% der Schüler an ihre Zähne an diesem Morgen geputzt zu haben, 30% gaben an keine eigene Zahnbürste zu besitzen wobei die Grundschüler wesentlich schlechter abschnitten als die Kinder in der Hauptschule, wo zwei Klassen jeweils 100% erreichten. Jetzt besitzen auf jeden Fall alle Kinder eine eigene Zahnbürste und meine Hoffnung ist, dass sie auch regelmäßig benutzt wird und die Unterweisung Früchte trägt. 

 


Nachtrag: 

Die Fahrt von Amalbas nach Kathmandu ist, bis auf die erste dreiviertel Stunde auf der Schotterstraße ins Tal zur Hauptstraße, kein Problem. Doch am Mittwoch kann ich nicht wie geplant den Neun-Uhr-Bus nehmen, der steht defekt unterhalb der Schule, sondern ich muss auf den nächsten Bus warten und der ist dann natürlich gerappelt voll. Ich komme also wieder mal zu dem Vergnügen auf dem Dach mitfahren zu dürfen. Unten im Tal warte ich dann auf einen Bus der von Baluwatar kommend Richtung Kathmandu fährt. 

Im Hotel angekommen empfängt mich Ramesh mit einer traurigen Nachricht. Als wir in Bhimkori Schnee auf den Gipfeln hatten, herrschte im westlichen Nepal heftiger Schneefall selbst in Gegenden die sonst schneefrei sind. Ein junger Mann aus Baseri, verwandt mit Ramesh, war als Guide mit einem Touristen im Annapurna Gebiet unterwegs und beide kamen bei einem schweren Schneesturm ums Leben. 

 

Das ist mein letzter Eintrag zu dieser Reise, mein Rückflug ist für die nächste Woche gebucht. 

DANKE    THANK YOU  धन्यवाद

 

Seit knapp zwei Wochen bin ich nun wieder daheim – und es kommt mir vor als wäre ich nie weg gewesen.

Der ganze angesammelte Papierkram, bis auf die Steuererklärung ist erledigt. Die große Abrechnung meiner privaten Ausgaben in den fünf Monaten fehlt auch noch, aber die Zusammenfassung der Ausgaben der Spendengelder war schnell gemacht und die möchte ich hier noch veröffentlichen.

Wie man unschwer erkennen kann bin ich mit den eingegangen Spenden ziemlich genau ausgekommen. Ich habe diesmal versucht für alle Posten eine Rechnung zu erhalten. Zwei Rechnungen fehlen allerdings. Für den Betrag von 425 €, den ich Shyam für den Einkauf von Farben für den Außenanstrich der Schule in Bhadaure geschickt habe fehlt ein Beleg und vom Truckfahrer, der die Möbel nach Baseri gefahren hat gibt es auch keine Rechnung über 32000 NRs (260 €).

An dieser Stelle noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön von mir und vor allem von Schülern, Lehrern und Eltern an alle die diese Aktionen mitgetragen haben.