9.12.Huay Xai, 10.12.Luang Namtha, 12.12.Muang Sing

Noi nimmt mich in seinen alten Jeep vom Bamboo-Nest nach Chiang Rai mit, da er einkaufen muss. Am nächsten Vormittag geht es per Bus zur Grenzstadt Chiang Khong und mit dem Boot über den Nam Khong (Mekong) nach Huay Xai auf laotischer Seite.

Umgehend fahre ich weiter nach Luang Namtha, Bezirkshauptstadt des gleichnamigen Bezirkes der im Norden an China grenzt und in dem auch der ausgedehnte Nam Ha Nationalpark liegt.

Hierher zieht es anscheinend viele Touristen, einige Guesthäuser sind belegt, doch es findet sich noch ein Zimmer für mich.

Nach zwei Tagen Radtouren im und um die Stadt, Besichtigung der kleinen Wasserfälle, ausgiebigen Besuchen auf dem Morning- und Nightmarket geht es weiter nach Muang Sing kurz vor der Grenze nach China. Auch hier miete ich erst mal ein Fahrrad und fahre unter anderem auch zur chinesischen Grenze. Aber schon der laotische Grenzbeamte gibt mir mir deutlichem Handzeichen zu verstehen: Halt, bis hierher und nicht weiter!

Aber das ist eh nicht meine Absicht, ich möchte im Nationalpark wandern.

 

Im Touristenbüro erfahre ich, dass das regionale Touristenmanagement vom Deutschen Entwicklungsdienst aufgebaut wurde und jetzt auf eigenen Beinen steht. Nur die Touristen fehlen noch. Schon bei der Ankunft ist mir aufgefallen, dass sich die "Falangs" hier wieder gegenseitig begrüßen, weil man eben nicht auf Schritt und Tritt einem begegnet.

Den Ausdruck "Falang" für alle weißhäutigen Menschen werde ich hier noch sehr oft zu hören bekommen. Er ist nicht abwertend oder gar beleidigend gemeint, sondern eine neutrale Bezeichnung für die Fremden. Kleine Jungen die beim Papi auf dem Moped mitfahren rufen lauthals: " Falang, Sabaidee!" oder die großen Geschwister stupsen die Kleinen an, zeigen mit dem Finger und flüstern: "Falang".

Muang Sing liegt in einer ausgedehnten Talebene, 60 km ( knapp 2Std. Fahrt) nördlich von Luang Namtha und nur noch 10 km vor der chinesischen Grenze. Die Ebene gehört nicht zum Nationalpark Nam Ha so wie das Gebiet darum herum und wird hauptsächlich als Reisanbaufläche genutzt. Wie ich später erfahre, sind die Bergvölker aus dem Gebiet des NP in die Ebene umgesiedelt worden und wohnen jetzt in ihren traditionellen Bambushäusern um den Ort herum.

Muang Sing ist ein großes Dorf, auch wenn es hier einige Prachtbauten gibt und im Ort zumeist feste Häuser. Nur die Durchgangsstraße und die zum Busbahnhof führende Straße sind geteert und die vielen kleinen Geschäfte und Läden reihen sich hier aneinander. Ein Großteil des Angebotes besteht aus landwirtschaftlichen Gerätschaften, nahezu in jedem Haus werden Hühner gehalten, auch Ziegen gibt es und natürlich Schweine. Während ich hier schreibe, höre ich das Schwein im Garten nebenan grunzen und riechen kann ich es auch.

Die Attraktion des Dorfes ist angeblich der " Morning Market". Als ich um sieben in der Früh dort eintreffe, ist das Marktgeschehen wohl schon seit einiger Zeit voll im Gange und ich bin erstaunt über den Besucherandrang und das große Angebot. Die an der Kleidung erkennbaren Frauen der Bergvölker sitzen mit ihrem säuberlich ausgelegten Angebot an Feldfrüchten, Gemüse und Obst zumeist am Boden, daneben gibt es Verkaufsstände mit verschiedensten Artikeln, Essbuden die schon gut besucht sind und nicht zuletzt eine große Halle in der Fleisch und jede Menge lebender Fische in Wannen angeboten werden. In einer Ecke läuft der Fleischwolf auf Hochtouren und produziert einen riesigen Berg Hackfleisch.

Doch als ich zwischen all den mehr oder minder appetitlichen Sachen zwei tote (Wild?) Katzen, ein Eichhörnchen, drei Vögel mit grünem Gefieder sowie ein nur rund 50 cm großes, rehartiges Tier entdecke, kommen in mir Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nationalparks hoch.

Im Laufe der Zeit mache ich immer öfter die Erfahrung, dass hier wie wohl auch im Norden Thailands, das Jagen auf alles was essbar ist zur Lieblingsbeschäftigung der Männer gehört. So sieht man in den Dörfern die Buben nach der Schule mit Taucherbrille und Harpune zum Fluss eilen und das Knallen von Schrotflinten ist recht oft in den Wäldern zu hören.Vieles verläuft aber auch lautlos: Fallen für Kleintiere werden gestellt und kleine Nager und Schlangen werden oft in mühevoller Arbeit ausgegraben. Sicherlich wird nur ein kleiner Teil der Jagdbeute auf dem Markt angeboten, das meiste landet im heimischen Kochtopf.

 


Trekkingtouren im Nationalpark sind nur mit Führer gestattet und die Polizei geht anscheinend auch rigoros gegen Leute vor, die es auf eigene Faust versuchen. Also bleibt nur der Weg in ein Trekkingbüro, aber offensichtlich bin ich der einzige Interessent und daher sind die Preise auch entsprechend hoch.
Wenigstens einen Tag möchte ich im NP in den dicht bewachsenen Hängen zum Wandern gehen. Mein Vermieter wird mir dazu einen Guide organiseren. Am nächsten Morgen stehen allerdings zwei junge Burschen zu meiner Verfügung. Koe, ein Mann aus dem Stamm der Hmong, ist Guide und spricht Englisch, kennt aber den Weg nicht. Mr. D. (wegen seines unaussprechlichen Namens) ist ein junger Lahu und kennt den Weg, spricht aber kein Wort Englisch.
Morgens um acht Uhr ist es noch frisch und total neblig, aber zum Laufen sehr angenehm. Da es gleich zügig bergan geht und die Jungs flott unterwegs sind, wird mir ganz schnell warm. Schon nach wenigen Minuten kommen wir an einem riesigen Buddhatree vorbei. Für so große und alte Bäume kann ich mich immer wieder begeistern. Die Vegetation ist hier wirklich sehr abwechslungsreich, wobei diese alten Riesen doch spärlich gesät sind.

Mr. D., der als Wegkundiger vorangeht, entdeckt immer wieder etwas und Koe hinter mir übernimmt die Erklärung: eine Spinne, so lang wie mein kleiner Finger, wird von manchen Menschen gerne verspeist; eine Frucht ähnlich einer Esskastanie, mit einer Nuss darin deren Kern prima schmeckt; Kratzspuren einer Wildkatze; eine Frucht die zunächst bitter schmeckt, doch wenn man Wasser hinterher trinkt, wird süß daraus; Spuren eines Schwarzbären und jede Menge Kräuter und Blätter gegen innere und äußere Blutungen, zur Behandlung von Knochenbrüchen und gegen Kopfweh. Eine Pflanze, die als Schmarotzer auf einem Baumstumpf wächst nimmt er mit, um sie zu Hause wieder auf einem Baum anzupflanzen. Ihre Blätter sollen, als Tee zubereitet, gegen Malaria helfen.Zwischendurch pflückt er auch mal einen Stengel im vorbeigehen, schält ihn und reicht ihn mir zum essen. Bis auf eine Frucht, die ich aber schon aus Chilisoßen kenne, ist auch alles recht schmackhaft.
Mittags schlägt er noch vier Bananenblätter ab, die uns als "Esstisch" dienen werden. Wir legen sie am Boden aus, das mitgebrachte Mittagessen ( gebratene Hühnchenstücke, Gemüse, Chilisoße und Klebereis in Bananenblätter gewickelt ) wird draufgelegt wir setzen uns daneben. Gegessen wird mit den Fingern.
Nach acht Stunden und 15 zurückgelegten Kilometern endet der höchst interessante Ausflug in den Nationalpark.