Kathmandu - Baseri

Am 28. Februar komme ich spät nachts wieder in Kathmandu / Nepal an. Die ersten drei bis vier Wochen habe ich für Baseri eingeplant. Da ich ja dort bei meinem ersten Nepalaufenthalt längere Zeit verbracht habe, werde ich diesmal weniger Zeit dort verbringen und die meiste Zeit werde ich wohl hauptsächlich in Bhimkhori sein. Zum einen erwarte ich ja nochmals eine Geldspende, die der dortigen Secondary School zu Gute kommen soll. Wofür das Geld letztlich verwendet wird, muss vor Ort entschieden werden. Dann werde ich sicher auch Uper Sing Thing, den einzigen Englischlehrer an der Schule unterstützen und ihm einige Stunden abnehmen. Und nicht zuletzt habe ich seit meinem letzten Aufenthalt dort ein weiteres Patenkind.

 

Nanu, dahinter Mandhoj
Nanu, dahinter Mandhoj

Nanu, das vorletzte von Mandhojs sieben Kindern, hatte zu der Zeit, als ich in Bhimkhori war, gerade ihren zweiten Deutschkurs am Goethe-Institut in Kathmandu begonnen. Sie möchte gerne ein Jahr in Deutschland als Aupair arbeiten und dazu sind diese Sprachkurse Voraussetzung. Da sie die Kursgebühren aber noch nicht beisammen hatte, habe ich ihr finanziell unter die Arme gegriffen. Irgendwann in Laos hat mich dann ein Mail erreicht in dem sie frustriert berichtet: "Ich habe das Prüfungsgespräch bei der Botschaft nicht bestanden." Dort müssen die Antragsteller vor einem deutschen und einem nepalesischen Beamten ihre Sprachkenntnisse unter Beweis stellen. Also hat sie sich zu einem weiteren Sprachkurs angemeldet und zudem habe ich versprochen mit ihr Deutsch zu üben. Jetzt werde ich also genau das tun, was man mir in Deutschland auch angeboten hat, nämlich einen Deutschkurs für Ausländer abhalten. Ich hoffe sehr, dass sie dann das Prüfungsgespräch besteht und sich ihr Traum von einem Jahr in Deutschland erfüllt. Und falls jemand zufälligerweise jemanden kennt der ein Aupair-Mädchen sucht, bitte bei mir melden.

 

Heute ist der zweite März und ich habe gerade mit meinem alten Freund Krishna telefoniert, den ich auf meinem Weg nach Baseri besuchen möchte. Allerdings hat er überraschend wegen eines Todesfalles zu seiner Schwester nach Chitwan reisen müssen und kommt erst am Sonntag nach Kathmandu zurück. Also werden wir voraussichtlich erst zu Beginn der nächsten Woche Richtung Baseri starten und folglich darf ich eine Woche im staubigen und geschäftigen Kathmandu verbringen. Ich hatte ja gehofft, dass sich bis zu meiner Rückkehr die Versorgungssituation gebessert hat, aber davon ist nicht viel zu spüren. Gas zum Kochen scheint nicht mehr ganz so knapp zu sein. Restaurants bieten wieder die ganze Palette auf ihren Speisekarten an und nicht mehr nur kalte Gerichte wie im vergangenen Jahr. Auch von Privatleuten höre ich, dass es nicht mehr ganz so schwierig ist an Gas zu kommen. Doch zum Kauf von ein paar Litern Benzin sehe ich in einer Straße noch zwei lange Menschenschlangen einen ganzen Vormittag lang anstehen. Ihre Plastikkanister sind dabei schön der Reihe nach auf einer Schnur aufgereiht, so dass keiner schummeln kann. Ein Zeitungsartikel berichtet von gewissen Erleichterungen, aber von der Normalität ist das Land noch weit entfernt.

 

Bei einem meiner Spaziergänge fällt mir ein Plakat über einem kleinen Laden auf, "Local Women's Handicraft", und da ich sowieso eine Mütze kaufen möchte schaue ich mal rein. Wenn ich einkaufe achte ich meist darauf, lokale Produkte zu kaufen. Die Mütze ist schnell gekauft und ich komme mit der jungen Inhaberin Saheen ins Gespäch die mir ganz begeistert von ihrem Projekt erzählt und mir eine Besichtigung der "Fabrik" vorschlägt. 

 

Local Women’s Handicrafts

Vor fünf Jahren hat Saheens Schwester Nasreen die Gruppe ins Leben gerufen. Zuerst hatten ein paar Frauen ganz einfach einen Raum um gemeinsam Handarbeiten anzufertigen die dann an andere Läden verkauft wurden. Inzwischen ist die Gruppe auf insgesamt 28 Frauen angewachsen, die Arbeiten finden in einem eigenen Gebäude (Rohbau) und in einem provisorischen Anbau statt. Hergestellt werden Teppiche, alle Arten von Kleidungsstücken, große und kleine Taschen, Schmuck und diverse Accesoires. Nasreen und Saheen sind für Design, Verkauf und die Ausbildung der Frauen zuständig. Alle Frauen kommen aus sehr schwierigen Verhältnissen und hatten in der Vergangenheit ein Leben ohne Perspektive vor sich. Durch ihre Arbeit haben sie nun ein festes Einkommen, das in der Anlernzeit bei 6000 Rupies liegt ( 50€ ) und mit dem sie einigermaßen über die Runden kommen können. In dem Gebäude, das derzeit nur als Fabrik genutzt wird, sollen später auch Wohnräume für die Frauen entstehen. All das wird derzeit noch durch Kredite finanziert und es bleibt zu hoffen, dass eines Tages der Erlös aus dem Verkauf das Projekt trägt.

Das Gebäude liegt am Stadtrand von Kathmandu und als wir mit dem Taxi  zur Besichtigung dort eintreffen, gehen die meisten Frauen gerade in die wohlverdiente Mittagspause. Eine war so freundlich, mir ihre Arbeit am Webstuhl vorzuführen. Wenn alle Frauen am Arbeiten sind und am oder im Haus auch noch Handwerker zugange sind, dann sieht es vermutlich nicht mehr so unaufgeräumt idyllisch aus.

Das Projekt basiert nicht auf Spenden und wichtigstes Ziel ist, das Leben der Frauen durch das Erlernen einer Fertigkeit nachhaltig zu verbessern und ihnen eine Perspektive für die Zukunft zu geben. Sollte jemand den Wunsch haben diesen Gedanken zu unterstützen, hier die nötigen Daten: 

local womens handicraft pvt.ltd

Kontonummer: 23725240200046

BIC: habe ich leider bis heute nicht bekommen 

Spenden werden zur Finanzierung der Anlernphase (Lohn) der Frauen verwendet.

Mehr Informationen findet ihr auf der Webseite von Local Women's Handicraft,  wo auch einige der Frauen  ihre Vergangenheit schildern.

Am 8. März fahre ich mit Krishna per Bus in seinen Heimatort Lamagoan. Viel hat sich seit dem letzten Herbst dort nicht verändert. Die Gemeinschafts-Notunterkunft ist verschwunden und Krishna hat vor seinem Haus, an Stelle des Ziegenunterstandes ein kleines Häuschen aus Brettern und Blech für die Familie gebaut. Hier wollen sie wohnen bis das eigentliche Haus gebaut ist, aber das wird wohl noch eine Weile dauern, zumal die Regierung verkündet hat, dass keine Hilfsgelder ausgezahlt werden, wenn jetzt jemand ohne behördliche Genehmigung mit dem Hausbau beginnt. Ein Jahr nach der Katastrophe scheint der Staatsapparat immer noch in der Planungsphase zu stecken. 

Dagegen scheinen Planung und Bau der Wasserversorgung durch die regionalen Stellen etwas besser zu funktionieren. Derzeit tragen die Dorfbewohner ihren Bedarf von der Wasserstelle einen Kilometer bergauf ins Dorf. Unten im Tal, an einem kleinen Flüsschen, haben Arbeiter begonnen einen Wassertank und ein Wärterhäuschen zu bauen. Von hier soll in Zukunft das Wasser über eine Zwischenstation auf den Gipfel gepumpt werde, von wo aus dann der Ort versorgt wird.

Am nächsten Tag gehe ich mit Krishna und Anil, der eine junge Ziege an einem Strick mit sich führt, hinunter zu Baustelle. Der kleine Ziegenbock wird hier der Tradition entsprechend geopfert und sein Blut über einen kleinen, zuvor errichteten Altar, verteilt. Die inzwischen anwesende kleine Gruppe von Männern zerlegt das Tier im Bachbett in mundgerechte Stückchen und ein Teil des Fleisches wird auch gleich an Ort und Stelle verzehrt. Dazu gibt es, wie könnte es anders sein, Rakshi aus einem Kanister.

Gegen Mittag sind wir wieder im Dorf zurück und gehen gleich zu einer Nachbarsfamilie. Ein Baby ist dort ein halbes Jahr alt geworden und soll von nun an auch an feste Nahrung, sprich Reis, gewöhnt werden. Das wird hier traditionsgemäß mit einer Zeremonie gefeiert zu der die Nachbarn und Freunde eingeladen sind. Jeder Gast streut ein wenig Reis über das Kind, gibt ihm ein Tika und steckt ihm einen Geldschein unter das Mützchen. Anschließend sitzen wir alle schön aufgereiht im Hof auf dem Boden und werden verköstigt. Auch hier komme ich um ein paar Stückchen Ziegenfleisch nicht herum. Während die meisten Besucher gemütlich sitzen bleiben, wartet auf uns noch eine Pflicht.  Wir marschieren wieder den Berg hinunter in ein kleines Nachbardorf wo Hochzeitsvorbereitungen im Gange sind. Auch hier gehört es sich wenigstens kurz vorbeizuschauen und ein Roti, in Öl gebackenes Brot, zu essen. Morgen bei der Hochzeitsfeier wird allerdings Krishnas Mutter die Familie vertreten. Zum Heimgehen ist es dann aber zu früh, Dhaal Bhaat gibt es erst gegen acht, also machen wir Rast an einem kleinen Kiosk neben der staubigen Strasse, wo es noch ein Bier gibt. Nach diesem ausgefüllten Tag bin ich froh, dass der nächste ganz gemütlich abläuft.

Am 17. breche ich nach Baseri auf und Krishna begleitet mich wenigstens bis Arkhet. Von dort aus finde ich den Weg bis Baseri hinauf alleine. Als ich nachmittags dort ankomme empfangen mich Bahini, Dhai und Manish freudestrahlend. Dhai hat nach seinem Oberschenkelbruch im letzten Sommer Fortschritte gemacht und braucht nur noch einen Trekkingstock als Gehhilfe. 

Die nächsten Tage verbringe ich an der Schule mit Besuchen in verschiedenen Klassen. Einmal werde ich in der Mittagspause von einer Schülerin der Klasse 10 gefragt, ob ich in nicht die folgende Englischstunde geben könne. Als ich dann das Klassenzimmer betrete sind zwei Mädchen und ein Junge anwesend, der Rest der Klasse hat sich den Nachmittag freigenommen. So läuft das nun mal hier, der Schulbesuch wird sehr großzügig gehandhabt und die Lehrer, vermutlich auch die Eltern, kümmern sich – leider - nicht groß darum.

Im Kollegium sehe ich sechs neue, junge Kollegen da drei Lehrer versetzt worden sind, einer hat den Dienst quittiert und einer hat sich das Leben genommen. Ich denke, das könnte eine Chance sein etwas frischen Wind in den Schulalltag zu bringen und Neuerungen anzupacken, denn im „alten“ Kollegium habe ich wenig Bereitschaft für Veränderungen gespürt. So musste ich Rajendra, den stellvertretenden Schulleiter fragen, warum die abgesprochene Säuberungsaktion rund um das Schulhaus nicht durchgeführt wurde und warum der CD-Player nicht im Englischunterricht eingesetzt wird. Ich hoffe, und das gebe ich den neuen Lehrern beim Abschied auch mit auf den Weg, dass sie die eingefahrenen Wege verlassen und neue Impulse setzen.

Am Mittwoch veranstaltet die achte Klasse einen Quizwettbewerb und im Anschluss daran soll ich verabschiedet werden. Neben den obligatorischen Reden gibt es Liedvorträge, Tänze und die Übergabe von kleinen Geschenken, doch den Schülern macht sichtlich das Verabreichen eines glücksbringenden Tikas am meisten Spaß, denn nachdem die Lehrer alle fertig sind, werde ich von einer Schar Kinder umringt, die mir auch alle ein Tika mit auf den Weg geben wollen. Nach vielen Kinderhänden, die alle tief in den roten Farbbeutel greifen, sehe ich auf jeden Fall ziemlich gepudert aus. Was solls, viel rot bedeutet natürlich auch viel Glück.