Los Angeles - San Francisco

12. Mai
Die Geschichte meiner Zollabfertigung möchte ich ganz kurz fassen obwohl sie insgesamt drei Stunden meiner kostbaren Urlaubszeit gekostet hat. Da ich vom amerikanischen Konsulat schon vor meiner Abreise ein Visa erhalten habe muss ich meiner Meinung nach bei der Einreise kein Ticket für die Ausreise vorweisen. Alle Zollbeamten sind anderer Meinung, bis auf einen Mr. Feinstein der mich dann endlich aufruft und seinen Kolleginnen erklärt: "He doesn't need it. He is one of the good guys!" Das freut mich aber! Und damit durfte ich weiter und meinen gebuchten Mietwagen abholen.

Zwei Tage später komme ich im Yosemite Nationalpark an und verrenke mir schon am Talbeginn angesichts der hohen Felswände schier den Hals. Im Camp 4, das hauptsächlich von Kletterern besucht ist, fällt mein kleines Zelt unter den vielen anderen gar nicht auf. Für jedes Zelt ist ein verschließbarer eiserner Käfig (food locker) da, in dem alle Lebensmittel sowie Kosmetik- und Waschartikel bärensicher aufbewahrt werden müssen. Der einzige Comfort sind Toiletten und ein paar Waschbecken, aber dafür beträgt die Platzmiete nur 5$ pro Nacht. Wer duschen möchte, fährt mit einem der kostenlosen Shuttlebusse ins Dorf. Da lässt dann schon mal einer der Fahrgäste so einen Spruch fallen wie: "Hier kommen die ungewaschenen Leute."

  Dafür ist das Leben im Camp 4 aber sicher interessanter als in einem Lodge. Am frühen Morgen zieht zum Beispiel ein Rudel der Mule Deer ( Mulihirsch wegen der großen Ohren) über den Platz um auf den Tischen die Krümel abzuschlecken, die kleinen Erdhörnchen sind allgegenwärtig und immer auf der Suche nach Resten. Einmal war angeblich nachts auch ein Bär unterwegs. James im Nachbarzelt hat ihn wohl gehört, ich habe nichts mitbekommen, vermutlich weil ich selber auch gebrummt habe. Meine Nachbarn sind neben James, der nur ein paar Fahrstunden entfernt zu Hause ist, Sebastian und Stefan aus Dresden, Dave mit Sohn Steve und einem Freund aus Michigan sowie Bernardo und Davi aus Brasilien.

Aber das Wetter hier ist nicht immer eitel Sonnenschein. Als ich oben am Yosemite Wasserfall bin zieht ein Gewitter auf unr ich mache mich schleunigst auf den Rückweg. Etliche Leute marschieren aber unverdrossen bergauf, unter anderem auch eine Jugendgruppe. Als ich einen der Begleiter frage, ober er sich keine Sorgen wegen dem aufziehenden Gewitter mache, meint er ganz locker: " No, it's fine". Also bei Gewitter muss ich nicht auf dem Berg sein.
Als ich auf dem Zeltplatz ankomme bin ich trotz Regenjacke ziemlich durchnässt und habe mir zu allem Überfluss auch noch das linke Knie etwas verrenkt.
Die Aussicht vom Glacier Point ist an klaren Tagen angeblich phantastisch, doch als ich oben bin hängen die Wolken ziemlich tief. Dafür scheint bei der Wanderung zum Vernall und Nevada Wasserfall die Sonne. Nass werde ich trotzdem, denn der steile Treppenanstieg am Vernall Wasserfall vorbei wird ständig von Gischtwolken überzogen. Beim Abstieg meldet sich dann mein linkes Knie wieder und ich denke, ein paar Ruhetage in San Francisco kommen jetzt ganz gelegen.

18. Mai
Ich plane, am Samstag Richtung San Francisco loszufahren und als Bernardo und Davi das mitbekommen, fragen sie mich, ob sie mitfahren könnten. Ihre geplante Klettertour auf den "Middle Cathedral" haben sie wegen der unsicheren Wetterverhältnisse abgeblasen und der Freund, mit dem sie angereist sind ist schon vor Tagen abgefahren. Da Davi in Santa Cruz noch ein Fahrrad für seine Frau abholen muss, das dort bei einem Freund steht, fahren wir zuerst dorthin und machen uns dort einen gemütlichen Abend. Sonntagmittag treffen wir im Hostel ein und da im Schlafsaal kein Platz mehr ist, weist uns der freundliche Manager ein Zimmer in einem angeschlossenen Hotel zum gleichen Preis zu. Glück gehabt.

Zu San Francisco fällt sicher jedem auf Anhieb die Golden Gate Bridge und der alte Scott McKenzie-Song "If your'e going to San Francisco" ein. Die Brücke ist natürlich ein Muß und steht ganz oben auf meinem Programm. Auf die Blumen im Haar werde ich aus praktischen Gründen sicher verzichten und gefragt sind sie heutzutage eh nicht mehr. Aus der damaligen Zeit sind sicher noch einige Veteranen in meinem Alter unterwegs. Die einen schlafen mir einer Decke in Hauseingängen oder lehnen sich gegen ein Auto und schauen gelangweilt auf die Straße während sie dagegenpinkeln, die anderen fahren mit wehenden Haaren auf der dicken Harley über den Boulevard. Der Lebensstil in der Stadt scheint aber immer noch recht locker und tolerant zu sein. Anläßlich eines Marathons sind viele Zuschauer in den verrücktesten Kostümen auf der Straße, aber kaum einer nimmt Notiz wenn ein Mädchen oben fast ohne durch die Staßen läuft oder ein junger Mann nur mir pinkfarbener Unterhose auf dem Fahrrad daherkommt.

Für einen Vormittag haben wir gemeinsam einen Besuch auf der Gefängnisinsel Alcatraz geplant. Doch als wir am Pier 33 ein Ticket für die Fähre lösen wollen, heißt es:"Heute ausverkauft!" Also mache ich mich auf den Weg, die Brücke anzuschauen. Bernardo und Davi haben das schon bei ihrer Ankunft gemacht und empfehlen mir einen günstigen Radverleih mit dem vielversprechenden Namen " Blazing Saddles " (glühende Sättel) denn das Motto heißt: "Ride the Bridge."
Als ich dann Richtung Brücke strample stelle ich irgendwann fest, dass ich mich in einer Kolonne von Fahrradfahrern bewege. Als es dann auf den abgezäunten Bereich der Brücke geht, wird es richtig eng, denn hier mischen auch noch unzählige Fußgänger mit und hin und wieder zischt ein lokaler Rennradler genervt mitten durch. Doch ab Brückenmitte wird es übersichtlicher, viele kehren hier wohl um. Ja, und die Brücke? Rot, lang und hoch und mit unheimlich viel Verkehr. Eindrucksvoll ist auch der Wind der ordentlich bläst und die Brücke wohl auch in Bewegung versetzt. Von der Brücke haben Fußgänger und Radfahrer einen wunderbaren Blick auf die Stadt und für Leute mit Sinn für Technik ist das Bauwerk sicher etwas Besonderes.

Aus Filmen gut bekannt sind auch die steilen Straßen San Franciscos und wenn man ganz.oben auf einem der Hügel steht, kommt man sich fast vor, wie auf einer Schanze, denn die Querstraßen bilden immer wieder einen kleinen Absprungtisch. Autos dürfen auf diesen Straßen aus verständlichen Gründen meist nur quer geparkt werden. Ein Einheimischer weist mir auch einmal den Weg in eine kleine grüne Gasse mitten im Häusermeer. Sogar eine Schar Papageien treibt sich dort herum.
Einen Tag verbringen wir mehr oder weniger in zwei Kaufhäusern (Sportartikel und Elektronik) und haben uns so ein Essen in einem der zahlreichen Restaurants verdient.

Nachdem ich so oft Bernardo und Davi erwähnt habe, möchte ich euch die beiden Freunde doch genauer vorstellen.
Davi ist 41 Jahre alt und Vater einer erwachsenen Tochter. Er wohnt in Hortolandia und verdient seinen Lebensunterhalt mit seinem Hobby, er ist Bergführer und Tourenführer. Auf seiner Webseite (http://www.marski.org/), natürlich in portugiesisch, kann man sich über seine Aktivitäten erkundigen. Ich kann zwar nichts lesen, aber aus Bildern und Ortsnamen kann man doch einiges ableiten.
Bernardo ist etwas mehr als halb so alt, wohnt in Belohorizonte und studiert Philosophie, doch seine berufliche Zukunft ist noch offen. Er teilt die Kletterleidenschaft mit Davi hat aber noch viele andere Talente. Schon bei unserer ersten Unterhaltung ist mir sein ausgesprochen gutes Deutsch aufgefallen. Gelernt hat er es innerhalb eines Jahres im Eigenstudium und als ich ihn frage, woher er seine gewählten Ausdrücke und Redewendungen hat, meint er mit einem verschmitzten Grinsen: "Ich habe Kafka gelesen."
Es ist also nicht verwunderlich, dass er sich über die deutsche Naviansage "Jetzt abbiegen in d e n Lincoln Street, oder in d e n Park Avenue" lustig macht. Worauf Davi, auf englisch, ganz lapidar meint: "Die deutsche Sprache ist so schwierig, die kann man nicht einmal richtig programmieren."
Hi, Bernardo und Davi, passt auf euch auf in Bolivien! ( dahin geht ihre nächste Kletterreise)